Homöopathie & Schüsslersalze - Weniger ist mehr

Obwohl eine Wirkung wissenschaftlich bisher nicht nachgewiesen ist, vertrauen immer mehr Menschen auf Homöopathie und die Therapie mit Mineralsalzen. Beide setzen auf den „inneren Arzt“ und die Selbstheilungskräfte des Organismus. Damit eignen sie sich auch für die Hausapotheke.

Elf bis 24 Sekunden. So viel Zeit bleibt Patienten im Durchschnitt, um ihr Anliegen zu schildern, bis sie von ihrem Arzt unterbrochen werden. Immer mehr Menschen aber wünschen sich einen Mediziner, der wirklich Zeit für sie hat. Der ihre Sorgen ernst nimmt, sie als ganzen Menschen sieht und nicht nur ihre Symptome. Der die Lebensumstände berücksichtigt und Körper und Seele als Einheit behandelt, mit Medikamenten, die möglichst wenig Nebenwirkungen haben. Einen Arzt „mit mehr Zeit“ finden sie vor allem unter Homöopathen, wie der Gesundheitsmonitor der Bertelsmann-Stiftung 2014 ergab. Das Gespräch und das dadurch entstehende Vertrauensverhältnis ist den Patienten sogar wichtiger als die Frage, wie oder ob Homöopathie überhaupt wirkt.

Tatsächlich lässt sich bis heute wissenschaftlich nicht nachweisen, auf welche Weise die alternative Heilmethode erfolgreich ist. Schon ihr Begründer, der Arzt Samuel Hahnemann, war deshalb vor gut 200 Jahren umstritten – obwohl er damit etwa Typhuskranke erfolgreicher behandelte als klassische Ärzte. Noch heute bemängeln Kritiker, dass die Mittel kaum oder keine materiell nachweisbaren, chemischen Arzneimoleküle enthalten. Das liegt am Prinzip des Verdünnens oder Potenzierens: Rund 2500 Substanzen aus dem Pflanzen-, Tier- und Mineralreich werden zunächst zu einem wässrigen Auszug (Urtinktur) verarbeitet oder pulverisiert und dann mit einer Trägersubstanz vermischt – einer Alkohol-Wasser-Mischung für Tropfen oder Milchzucker für sogenannte Globuli („Kügelchen“). Dabei werden sie unterschiedlich stark verdünnt oder, wie Hahnemann sagte, „potenziert“: Bereits die D1-Potenz besteht nur zu einem Teil aus der „Urtinktur“ und zu neun Teilen aus Alkohol und Wasser, für eine C200 etwa wird eine Substanz 200-mal um den Faktor 100 verdünnt.

Der Grund: Hahnemann hatte entdeckt, dass die Wirkstoffe umso heilsamer, also „potenter“ sind, je weniger „Materielles“ von ihnen in der fertigen Arznei enthalten ist. Und dass die gleichen Substanzen, die einen Gesunden krank machen können, einen Kranken heilen, der unter ähnlichen Symptomen leidet: So wollte er „Ähnliches durch Ähnliches heilen“ – das Wort „Homöopathie“ setzt sich zusammen aus den griechischen Worten „homoios“ (ähnlich) und „pathos“ (Leiden).

Potenziert hilft so normalerweise anregender Kaffee als „Coffea“ bei Schlafstörungen, Bienengift wird zum Heilmittel „Apis“, das Schwellungen durch Insektenstiche lindert, und das tödliche Gift der Tollkirsche kann als homöopathisches Mittel „Belladonna“ bei Grippe helfen.

Schüssler 

Wirkung offenbar mehr als nur ein Placeboeffekt

Alles nur Placeboeffekt, also Einbildung, wie Kritiker ebenfalls meinen? Dagegen spricht, dass Tiere von einer homöopathischen Behandlung ebenso profitieren wie kleine Kinder und Menschen, die im Koma liegen. Die positive Wirkung ist zudem durch zahlreiche Studien belegt. Regulationsstörungen wie Migräne, Menstruations- oder vegetative Beschwerden sprechen besonders gut auf homöopathische Mittel an, wie der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) mitteilt, dem rund 7000 Mediziner angehören. Blasenentzündungen oder Heuschnupfen lassen sich „in vielen Fällen ausheilen“. Bei chronischen Erkrankungen könne zumindest eine Linderung erreicht werden. Da Homöopathie die Selbstheilungskräfte anregt, kann sie auch schulmedizinische Behandlungen ergänzen.

Das überzeugt immer mehr Menschen. Hatten 1970 erst 24 Prozent der Deutschen Erfahrungen mit der ganzheitlichen Therapiemethode gesammelt, war es 2009 schon mehr als jeder Zweite. Für die Selbstbehandlung mit homöopathischen Arzneimitteln gaben Apothekenkunden allein 2013 insgesamt 386,3 Millionen Euro aus, 2011 waren es noch 90 Millionen Euro weniger. Inzwischen erstatten rund 80 gesetzliche Krankenkassen die Behandlungskosten bei einem Arzt mit homöopathischer Zusatzausbildung. Infos dazu hat der DZVhÄ auf der Website www.homöopathieonline.info zusammengestellt, wo sich per Postleitzahlensuche auch homöopathische Ärzte finden lassen.

 

Mehr Vitalität durch die Salze des Lebens

Für die Selbstmedikation bei leichten Beschwerden eignen sich zudem die „Schüsslersalze“ (s. Tabelle) aus der Apotheke, die ebenfalls in homöopathischen Potenzen eingenommen werden (und dann mit dem jeweiligen homöopathischen Mittel identisch sind). Der Arzt und Homöopath Wilhelm H. Schüssler hatte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Krematorium entdeckt, dass die Asche von Verstorbenen nur aus zwölf Mineralstoffen besteht – für ihn die Bausteine des Lebens. Sind sie nicht in genügender Weise im Körper vorhanden, können Krankheiten entstehen – werden sie zugeführt, können auf Zellebene ins Stocken geratene, biochemische Prozesse wieder in Fluss kommen. Besonders populär ist die „Heiße Sieben“: Drei Tabletten von Magnesium phosphoricum D6 (Salz Nr. 7) in heißem Wasser auflösen und trinken kann Krämpfe und Schmerzen lindern und die Nerven beruhigen.