Der umstrittene Pikser

Eindringlich warnen einige Menschen davor, Kinder impfen zu lassen. Wir zezigen die häufigsten Argumente und die wissenschaftlichen Fakten hierzu und beschreiben am Beispiel der Masern, warum ein Rückgang der Impfungen fatale Folgen hat.

 

Der Trick galt lange Zeit als einer der größten Erfolge der Medizin: Der Körper erhält harmlos gemachte Krankheitserreger, beginnt daraufhin Antikörper dagegen herzustellen und ist somit zukünftig vor der Krankheit geschützt. Doch Impfkritiker sehen in dieser Methode hingegen eine Gefahr für die Gesundheit. Hier die wichtigsten Fakten dazu:

 

Stimmt es, dass die Wirksamkeit von Impfungen nicht belegt ist?

Nein! Ein Impfstoff kann nach geltendem Arzneimittelrecht nur dann zugelassen werden, wenn nachgewiesen ist, dass er wirksam und verträglich ist. Auch nach der Zulassung wird die Wirkung und Sicherheit des Impfstoffes in Studien, die unabhängige Wissenschaftler von Universitäten und Forschungseinrichtungen durchführen, überprüft. Ein deutliches Beispiel für die Wirksamkeit von Impfungen ist die Schluckimpfung gegen Kinderlähmung (Poliomyelitis), die Anfang der 1960er Jahre eingeführt wurde. 1961 waren noch rund 4700 Kinder an Kinderlähmung erkrankt, 1964 waren es nur noch 50 und heute gibt es keine Erkrankungsfälle mehr.

 

Warum soll eine Impfung schädlich sein?

Impfgegner argumentieren, dass durch das Impfen Nebenwirkungen entstehen können, die der Gesundheit vehement schaden. Die Masern-Impfung etwa erhöhe das Risiko, dass bei einem Kind Autismus oder Morbus Crohn auftritt, so die These. Dieses Gerücht tauchte Anfang der 1990er Jahre erstmals in Großbritannien auf. In dem Jahr veröffentlichte der Arzt Andrew Wakefield eine Studie, die den angeblichen Zusammenhang zwischen einer Masern-Impfung und Autismus bei zwölf Kindern herausfand. Allerdings kam heraus, dass Wakefield von Anwälten Geld bekommen hatte, die die Eltern autistischer Kinder vertraten und Hersteller des Impfstoffes verklagen wollten, und dass er die Studienergebnisse manipuliert hatte. 2010 verlor er seine Zulassung als Arzt. Wissenschaftler haben seitdem zahlreiche existierende Studien untersucht und konnten keinerlei Zusammenhang zwischen der MMR-(Masern-Mumps-Röteln)-Impfung und Autismus oder Morbus Crohn finden. Trotzdem wird die Autismus-These bis heute von Impfgegnern vertreten. Auch vielen anderen Impfungen werden vermeintliche gefährliche Nebenwirkungen nachgesagt. Hierzu nimmt das Robert-Koch-Institut auf seiner Webseite Stellung (rki.de).

 

 

Welche Nebenwirkungen können bei einer Impfung auftreten?

Fakt ist, dass durch eine Impfung Nebenwirkungen entstehen können. Um beim Beispiel Masern zu bleiben: In den ersten Tagen nach der Impfung kann es durch die Stimulation des körpereigenen Immunsystems zu einer Rötung oder Schwellung der Haut an der Einstichstelle kommen. Manchmal können bei Patienten auch Lymphknoten anschwellen, kurzzeitig Kopfschmerzen, eine mäßige Temperaturerhöhung, Mattigkeit oder Magen-Darm- Beschwerden auftreten. Es sind auch allergische Reaktionen auf den Impfstoff möglich sowie Gelenkentzündungen. Beides kommt aber sehr selten vor. Außerdem gilt allgemein: Bei den meisten geimpften Kinder treten gar keine Nebenwirkungen auf.

 

Kann das Durchstehen einer Erkrankung ein Kind stärken?

Manche Eltern sind der Meinung, dass das Durchleben einer Infektionskrankheit wichtig sei für die Entwicklung des Kindes und eine Impfung diese verzögere. Daher veranstalten sie z. B. Masern-Partys, bei denen einige eingeladene Kinder bereits erkrankt sind und die gesunden kleinen Gäste anstecken, damit diese die Masern bald ebenfalls „durchstehen“ können. Nicht nur, dass Ärzte solch ein Verhalten für Körperverletzung halten, es gibt keine einzige wissenschaftliche Studie, die belegt, dass sich nichtgeimpfte Kinder geistig oder körperlich besser entwickeln als geimpfte Gleichaltrige. Und auch bei Letzteren wird das Immunsystem ja noch oft trainiert, denn Impfungen betreffen ja nur ein Dutzend gefährlicher Erreger. Mit Hunderten anderen Krankheitskeimen haben auch ihre Abwehrkräfte weiterhin zu tun.

 

Wird das Immunsystem durch die vielen Impfungen überlastet?

Heute werden Kinder gegen mehr Krankheiten geimpft als früher. Allerdings hat sich die Zahl der im Impfstoff enthaltenen Antigene deutlich verringert: Der Keuchhusten- Impfstoff etwa beinhaltete früher rund 3000 Antigene, heute sind es nur noch 150. Dies gilt auch für Kombinationsimpfstoffe. Sie sind in der Regel gut erträglich und es gibt keine Hinweise darauf, dass sie das Immunsystem überlasten. Und es ist für das Kind z. B. beim Sechsfach-Impfstoff nur ein Pikser notwendig statt sechs.

 

Wie ist die Impfsituation in Deutschland?

In Deutschland gibt es bislang keine Impfpflicht, nur eine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert- Koch-Instituts (siehe Infokasten unten). Bei Masern ist hierzulande das Problem häufig auch nicht die Impfung generell: Bundesweit bekamen Kinder, die 2013 geboren worden sind, zu 95,9 Prozent ihre erste Impfung gegen Masern. Doch es muss danach noch eine zweite Immunisierung erfolgen, nur dann ist der Körper ausreichend vor den Erregern geschützt. Diese zweite Dosis hatten nur 73,7 Prozent der Zweijährigen bekommen. Jedes Jahr sind 180.000 Kinder nur unzureichend oder gar nicht gegen eine Krankheit geimpft, die lange Zeit schon als ausgerottet galt. Selbst wer Masern einmal überstanden hat, kann noch Jahre später eine Entzündung des Gehirns (Masern-Enzephalitis genannt) entwickeln, die zu Hirnschäden und zum Tod führen kann. Diese tritt auch häufiger bei Säuglingen, die jünger als ein Jahr sind, infolge einer Masernerkrankung auf. In diesem Alter sind die Kleinen noch zu jung für eine Impfung und den Erregern schutzlos ausgeliefert. Wer sich impfen lässt, schützt nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch die von anderen Menschen.